„Der bayerische Ministerpräsident ist noch päpstlicher als der Papst”
Interview mit Frank Riegler, dem neuen Vorsitzenden des bfg Bayern
Frank Riegler aus Erlangen wurde am vergangenen Sonntag zum neuen Vorsitzenden des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) Bayern gewählt. Der hpd sprach mit ihm über Ziele und Pläne und warum er einen Ersatz des Religionsunterrichts durch Ethik nicht für notwendig hält.
hpd: Herzlichen Glückwunsch zur Übernahme deines neuen Amtes. Wie kam es dazu und was wünschst du dir für deine Amtszeit?
Frank Riegler: Ich war vier Jahre 2. Vorsitzender des bfg Bayern. Nachdem Michael Wladarsch bereits letztes Jahr mitgeteilt hat, dass er für eine neue Amtsperiode nicht zur Verfügung steht, hat eine intensive Suche nach einem neuen Vorstand begonnen. Ich kann meine Organisationserfahrung sowohl beim bfg als auch aus meiner beruflichen Tätigkeit als Sekretär bei der Gewerkschaft ver.di einbringen. Und dann ist es uns gelungen, vier Frauen mit sehr verschiedenen persönlichen Voraussetzungen für den Vorstand zu gewinnen. Im bfg Bayern sind mehrheitlich Männer organisiert. Der neue Vorstand unterstreicht auch unseren Willen, dass säkulare Organisationen jünger und weiblicher werden sollen. Das ist eine große Chance in den nächsten zwei Jahren.
Die Landesversammlung hat bei einer Enthaltung den neuen Vorstand gewählt. Auch unsere Vorstellungen über eine neue Ausrichtung in der Kommunikation nach innen und nach außen wurden mehrheitlich mitgetragen. Das ist ein starkes Signal für den neuen Vorstand. Wir wollen diese guten Ergebnisse der Landesversammlung jetzt verwirklichen.
Wie viele Mitglieder hat der bfg Bayern denn aktuell?
6.200 Mitglieder in elf Ortsgemeinschaften.
Du willst das Feiertagsgesetz, den Kreuzerlass und die bayerische Schulpolitik in den Mittelpunkt deiner Vereinsarbeit stellen. Gibt es bereits ein erstes konkretes Projekt, das du dabei angehen möchtest?
Die Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen den Kreuzerlass ist eingereicht. Da warten wir auf den Verhandlungstermin. Unser drittes Projekt ist „Reli in die Mottenkiste”. Dazu gibt es bereits ein Positionspapier des bfg Bayern. Trotz schlechter Ergebnisse in der IGLU- und der PISA-Studie 2024 auch für die bayerischen Schulen bleibt Söder trotzig: „Bei Religion wird nicht gekürzt”, sagte er gegenüber dem BR. Seine Kultusministerin von den Freien Wählern hatte das ins Gespräch gebracht.
Wir wollen mit LehrerInnenverbänden, Gewerkschaften und SchülerInnenvertretungen ins Gespräch kommen und eine Kampagne initiieren. Heute wird in den Grundschulen drei Stunden Religion unterrichtet. Wir wollen erreichen, dass die bayerischen Schulen in bekenntnisfreie Schulen umgewandelt werden. Dann kann nach Artikel 7 Absatz 3 GG auf den Religionsunterricht verzichtet werden. Drei Stunden mehr in den Fächern Kunst, Musik, Werken, Gestalten und Sport würde den Kids doch viel mehr Spaß machen. Dass sie dann nicht mehr wissen, dass die erste Frau (Eva) aus einer Rippe des ersten Mannes (Adam) geformt worden sein soll, kann man verschmerzen.
„Der neue Vorstand unterstreicht auch unseren Willen, dass säkulare Organisationen jünger und weiblicher werden sollen.”
Ihr fordert also keinen Ethik- oder Philosophieunterricht für alle anstelle des Religionsunterrichts?
Wir meinen, dass Fragen der Ethik, der Philosophie oder ganz allgemein der Wertevermittlung in den verschiedenen Fächern wie Deutsch, Geschichte, Heimat- und Sachkunde eingebaut werden können. Die Ersetzung von Religionsunterricht durch Ethik würde ja anerkennen, dass im Religionsunterricht demokratische, humanistische Werte vermittelt worden wären und wir dann einen Ersatz brauchen.
Wir müssen die Zusammenarbeit mit den humanistischen und säkularen Organisationen verbessern. Wir haben mit dem Zentralrat der Konfessionsfreien eine starke Lobbyorganisation. Die Giordano-Bruno-Stiftung ist eine wichtige Denkfabrik und Kampagnenplattform. Die DGHS unterstützt Menschen, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Generell müssen wir durch Vernetzung unsere Durchsetzungskraft verbessern und dafür sorgen, dass unsere Stimme in der Öffentlichkeit gehört wird. Der hpd hat dabei für uns eine ganz wichtige Funktion und wir werden auch in Zukunft die Arbeit des hpd aktiv unterstützen.
Das freut uns sehr zu hören. Im hpd-Artikel über die Wahl ist auch von der Ablösung der altrechtlichen Staatsleistungen die Rede, die ihr weiter voranbringen wollt. Unlängst ließ der bayerische Ministerpräsident Markus Söder gegenüber dem Papst verlauten, dass diese „endgültig auf Eis gelegt” werde. Was antwortest du ihm?
Der bayerische Ministerpräsident ist ja noch päpstlicher als der Papst. Der hängt sogar in den Amtsstuben in Bayern Kruzifixe auf und interpretiert sie als „Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns”. Die Ablösung der altrechtlichen Staatsleistungen ist ein Verfassungsauftrag und ist Teil der Koalitionsvereinbarung der Parteien auf der Bundesebene. Wir müssen der Öffentlichkeit deutlich machen, dass alle SteuerzahlerInnen hier die christlichen Kirchen subventionieren, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten. Den Wenigsten ist ja bewusst, dass wir das Bodenpersonal (Bischöfe, Kardinäle, Militärgeistliche usw.) finanzieren, auch wenn wir keiner Kirche angehören. Das ist Verschwendung von Steuergeldern, die wir dringend für bessere Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser usw. brauchen. Bei dem Versprechen gegenüber dem Papst, die Abschaffung der Staatsleistungen endgültig auf Eis zu legen, hat Söder den Mund ganz schön voll genommen. Daran kann er sich auch verschlucken.
„Die Ersetzung von Religionsunterricht durch Ethik würde ja anerkennen, dass im Religionsunterricht demokratische, humanistische Werte vermittelt worden wären und wir dann einen Ersatz brauchen.”
Möchte der Bund für Geistesfreiheit auch ein Angebot für die säkulare Community sein oder wollt ihr euch ganz auf die Politik fokussieren? Wenn ersteres, was wären Beispiele dafür?
Der bfg Bayern ist eine Weltanschauungsgemeinschaft. Wir haben in Bayern den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Wir haben vier Feiertage (Evolutionstag, Revolutionstag, Welthumanistentag und den Tag der Menschenrechte), die unsere Anschauung als säkulare Humanisten zum Ausdruck bringen. Wir bieten auch die Möglichkeit an, wichtige persönliche Ereignisse mit den Ideen des säkularen Humanismus zu verbinden. Wir halten es mit Heinrich Heine: „Es gibt hienieden Brot genug für alle Menschenkinder, auch Rosen und Myrthen, Schönheit und Lust, und Zuckererbsen nicht minder. Ja, Zuckererbsen für jedermann, sobald die Schoten platzen, den Himmel überlassen wir den Engeln und den Spatzen.” (Deutschland. Ein Wintermärchen) Für den bfg Bayern ist Ludwig Feuerbach (1804 - 1872) ein prägender Philosoph. Sein Motto: „Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde” ist unser Leitgedanke.
Seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil 2016 veranstaltet der Bund für Geistesfreiheit (bfg) München immer mehr Heidenspaßpartys an stillen Feiertagen. Wird der bfg Bayern den bfg München bei der Organisation unterstützen und die Angebote noch weiter auf ganz Bayern ausweiten?
Beim Feiertagsgesetz haben wir bisher in München, Regensburg und Erlangen am Karfreitag Veranstaltungen unter dem Motto „Heidenspaß statt Höllenqual” durchgeführt. In Nürnberg hat dieses Jahr eine bigotte Stadtspitze verhindert, dass auch dort eine säkulare Feier am Karfreitag stattfinden konnte. Schuld daran ist die bayerische Staatsregierung, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum bayerischen Feiertagsgesetz nicht umsetzt. Sie wurde verurteilt, das Gesetz entsprechend den Grundsätzen, die das Gericht aufgestellt hat, zu ändern. Dieser Verpflichtung entzieht sich die bayerische Staatsregierung. Wir arbeiten daran, zukünftig auch Veranstaltungen am 31. Oktober/1. November (Reformationstag/Allerheiligen) mit entsprechenden Lokalitäten in Bayern durchzuführen. Da hat der bfg Bayern eine koordinierende Funktion.
Vielen Dank für das Gespräch und einen guten Start wünsche ich dir!
Dieses Interview mit Frank Riegler und Gisa Bodenstein (hpd) erschien zuerst am 4. Juli 2024 im hpd.